Artwork: Hannes Clauss • Design: Reinhart Hammerschmidt

 

HCL-Ensemble & Silke Eberhard 

Live beim MIBNIGHT Jazzfestival • 26.2.2022

itchy-dog-records • IDR 024 • 4.5.2024

 

Silke Eberhard - saxophon • Hans Kämper - posaune • Sebastian Venus - piano • Reinhart Hammerschmidt - kontrabass • Hannes Clauss - schlagzeug, perkussion

 

„Wenn die erste Begegnung alle Erwartungen erfüllt, sie sogar noch übertrifft, wird meist der Ruf nach einer Wiederholung laut. Das gilt auch für die Welt der freien Improvisation. Allerdings ist kein Verlass darauf, dass dann erneut ein besonderer Moment entsteht. Womöglich wird die spezielle Spannung bei einer Neuauflage durch Anflüge von Vertrautheit entschärft.   

               

In diesem Falle, der Wiederbegegnung des HCL-Ensembles mit Silke Eberhard, lief es anders. Der kompakte, konzentrierte Auftritt im Rahmen des Bremer MIBNIGHT Jazzfestivals, bei dem Formationen ganz verschiedener (Jazz-)Stilistiken auftraten, ist eines der rundum positiven Beispiele. Er schien direkt an die außerordentliche Erfahrung des früheren Auftritts anzuknüpfen. Und wurde zum Glück mit dieser Aufnahme dokumentiert.

               

Die Vorgeschichte ist geradezu klassisch. 2021 hatte das HCL-Ensemble erstmals Kontakt zu 

Silke Eberhard aufgenommen. In einer Entspannungsphase der Pandemie-Einschränkungen für Veranstaltungen wollten die notorischen Aktivisten aus dem Raum Oldenburg/Bremen weitere Folgen ihrer Konzertreihe GEHÖRGÄNGE auf die Beine stellen. Zu dem Zeitpunkt konnte das Quartett bereits auf eine rund dreißigjährige Geschichte zurückblicken. Ur-Zelle war der spielfreudige Zusammenschluss von Hannes Clauss (auf ihn geht das ominöse HCL zurück) mit Sebastian Venus, beide schon damals – 1990 – gut vernetzt in regionalen Jazz- und Improvisationskreisen. Aus der baldigen Erweiterung mit Hans Kämper und Reinhart Hammerschmidt wurde nach und nach eine Institution des deutschen Improvisationsgeschehens. Die erste Ausgabe seiner GEHÖRGÄNGE zettelten die vier 2010 an. Das Prinzip der Reihe: HCL (auch ohne den Zusatz ‘Ensemble’ zum Begriff geworden) trifft auf geladene Gäste. 

               

Der Wunsch, Silke Eberhard für ein Konzert zu gewinnen, lag nahe. Die Wahl-Berlinerin gehört schon lange zu den Lichtgestalten des deutschen Jazzgeschehens im weitesten Sinne. Konsequent geht sie einen persönlichen Weg zwischen den Ambitionen als kluge, originelle Komponistin und Arrangeurin (Eric Dolphy, Charles Mingus etc.) sowie einer anhaltenden Abenteuerlust auf offenes Improvisieren mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Szenen, national und international. Schon aufgrund ihrer zahlreichen Aktivitäten, regelmäßigen Albumproduktionen und einer Reihe von Auszeichnungen wird sie häufig als Kreativkraft mit „Star“-Status angesehen. Ihr Selbstverständnis ist ein völlig anderes. Wer der gebürtigen Heidenheimerin mal begegnet ist, weiß um ihre verbindliche, uneitle, oft auch herzliche Art und den positiven, neugierigen Geist, mit dem sie alle Projekte angeht. Das überträgt sich unweigerlich auf das Miteinander. Und stößt bei HCL auf eine ähnliche Haltung – kein Wunder vor dem Hintergrund der langen Geschichte an inspirierten Begegnungen, die das Ensemble vorzuweisen hat. Eine Formation, deren Mitglieder ansonsten ebenfalls in zahllose Gruppen und Projekte unterschiedlicher Art verstrickt waren bzw. sind.

               

Die anberaumte Premiere ging im September 2021 im Musik- und Literaturhaus Wilhelm13 über die Bühne, einem bewährten Spielort im Herzen Oldenburgs. Die musikalischen Resultate und das Gefühl von zugewandter, wohl ausbalancierter Gemeinsamkeit klangen auf beiden Seiten nach. Und führten schließlich zur weiteren Zusammenkunft anlässlich des Festivals der Musikerinitiative Bremen (MIB) im Frühjahr 2022.

               

Bei einer fest gefügten „Working Band“, seit einer halben Ewigkeit in konstanter Besetzung, könnte die Gefahr bestehen, dass sich Gäste ihren Platz, den nötigen Raum und die Verbindungen hinein in das gewachsene Geflecht ein Stück weit erobern müssen. Das HCL-Ensemble und Silke Eberhard trafen sich auch dieses Mal ganz auf Augenhöhe. Und ließen vorbehaltlos all das zu, was die Konstellation und der Augenblick eröffneten. Man spürt, dass der musikalische Prozess auch von der menschlichen Begegnung getragen wird, jenseits der instrumentalen Kompetenzen und der erworbenen Souveränität. Wenn die Beteiligten dann noch ihre ganze Klasse in die Waagschale werfen können, entsteht Aufregendes.

               

Zu den bleibenden Erinnerungen des zweitägigen Festivals gehört für mich, im Aufnahmewagen von Radio Bremen zu verfolgen, wie das Quintett mühelos zu einer schlüssigen Einheit fand. Und wie es im weiteren Verlauf des Konzertes dynamisch neue Bögen und Konstellationen entwickelte. Daran hatte ohne Zweifel auch die Atmosphäre im Saal ihren Anteil. Für das HCL-Ensemble, für Silke Eberhard, vor Allem aber für alle geneigten Hörerinnen und Hörer, gerade jene, die nicht vor Ort sein konnten, freut es mich, dass der Mitschnitt nun in dieser Form verfügbar ist. Für mich erneut ein packender Lauschgenuss.“  Arne Schumacher, Musikjournalist, 2023 

 

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